Geschichten, mal ernst, mal heiter

Abschreiben

Gabriele Stegmeier
Mein erster Gedanke zu „abschreiben“ war Schule. Nichts außergewöhnliches also, denn das assoziieren sicher viele Mitmenschen. Der zweite Gedanke nannte sich „zu Guttenberg“. Das war schon netter, aber zu ausgelatscht.

Der Zeitreisende

© NASA

Gerhard Schmeußer
Sind Sie schon einmal einem Zeitreisenden begegnet? Sicher halten Sie meine Frage für Unsinn. Dabei haben Sie bestimmt schon einmal über die Möglichkeit von Zeitreisen nachgedacht.

Ananas versus Magenbitter

Gabriele Stegmeier
„Manche Dinge ändern sich nirgends“, dachte Christopher Atkins, streckte und reckte sich träge und wusste, sein Mittagsschläfchen im blauen Sand auf Io war endgültig unterbrochen.

Ein netter älterer Herr

Peter Hellinger
Man sah es ihm nicht an. Nicht, dass man so etwas irgend jemand angesehen hätte. Aber wenn – dann ihm ganz bestimmt nicht. Er war einfach nur ein netter älterer Herr um die 60 …

Der Dolch

Peter Hellinger
Weißt du, wovor mir wirklich ekelt? Das „danach“. Oder meinetwegen auch schon das „dabei“. Wenn du so einen Stümper hast, der nicht mit dir umgehen kann, der mehr Angst vor sich selbst hat, als Hass auf den anderen. So ein armes Würstchen, das nicht zu Ende führt, was es begonnen hat, du verstehst?

Blattmusikanten

Peter Hellinger
Der Kaktus stand auf dem Fensterbrett. "Ich habe es satt, hier rumzustehen und mit Wasser begossen zu werden!" sagte er eines Tages. Sachte zog er die Wurzeln aus dem Blumentopf, klopfte die Reste von Erde ab und verließ das Haus. Als er ein wenig die Straße entlang gegangen war, traf er auf eine Pelargonie, die gerade aus einem blauen Müllsack kletterte.

Seemannsgarn

Gerhard Schmeußer
Es ging auf Mitternacht zu und nur noch wenige Gäste waren mit mir in jener Hafenkneipe in Ishtar übrig geblieben. Wir hatten uns um einen Tisch beim Kamin zusammengefunden, denn die Nacht war kalt und lauschten dem Garn eines alten Seemanns, der sich dafür von uns frei halten liess.

Das Haus

Peter Hellinger
Die wurmstichigen Dielen knarrten unter seinen Füßen, als er das Haus betrat. Leise schloss er die Tür und sperrte die Nebelnacht aus. Behutsam tastete er nach dem Lichtschalter. Seine Fingerspitzen spürten dem auf Putz verlegtem Kabel nach, fühlten den samtenen Stoff mit dem der Draht umwickelt war.

Kälte

Peter Hellinger
Die Luft ist stickig, Zigarettenrauch leuchtet blau unter den tief hängenden Lampen, als ich den roten Plüschvorhang am Eingang beiseiteschiebe. Ich schneide mir einen Weg durch den Mief, und schiebe mich auf einen Hocker am Tresen. Die dralle Kellnerin hinter der Bar lächelt müde, ohne die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen. Ich bestelle einen Whiskey.

Mutprobe

Peter Hellinger
Am Fuße des Hügels angekommen türmte sich mehrere Meter hoch und steil der Bahndamm vor uns auf. Ihn mussten wir überwinden um auf der anderen Seite zum Mühlbach zu kommen, doch die nächste Straßenunterführung lag kilometerweit weg und zu diesem Umweg hatten wir keine Lust.

Versteckspiel

Peter Hellinger
Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen, und wenn ich daran denke, bekomme ich nach all den Jahren immer noch eine Gänsehaut. Ich war damals noch ein kleiner Junge; meine Eltern waren in jenem Sommer verreist, und ich durfte die Ferien bei meinem Großvater verbringen.